KEN. Caridad (Cari) Mora hat mit 25 Jahren schon sehr viel Böses erlebt. Ihr unsicherer Aufenthaltsstatus in den USA würde es jedoch nicht zulassen, dass sie sich wegen der aktuellen Ereignisse im Haus Pablo Escobars an die Polizei wendet. Wenn es darauf ankommt, weiß die Hüterin des Anwesens sich jedoch zu wehren.
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Auf die Villa an der Biscayne Bay vor Miami haben es seit dem Tod des Medellin-Chefs auch dessen ehemalige Gegner und Weggefährten abgesehen. Zu dem vielseitigen Leben der Haushüterin Cari Mora gehört, dass sie mit manchen davon eine gute Beziehung hat, vor allem zu der geheimnisvollen Ten-Bells-Schule, deren Mitglieder zusammenhalten wie sonst eher die Navy SEALs.
Noch weiß niemand, wo genau sich der schwer gesicherte Tresor Pablo Escobars befindet. Aktuell versucht eine vorgebliche Filmcrew, das Gold im Wert von mindestens 25 Millionen Dollar zu heben. Angeleitet wird sie von dem deutschen Hans-Peter Schneider, wegen seiner absoluten Haarlosigkeit auch beschrieben als »Pimmel mit Brille«.
Niemand würde Hans-Peter Schneider zum Freund haben wollen. Nicht nur, weil er im Hauptberuf Organe von entführten Frauen »erntet« oder sie am Stück an Folterclubs in Mauretanien verhökert. Er genießt es, seine Opfer in Chemikalien aufzulösen und anschließend im Klo zu entsorgen.
Seine Jagd auf Cari Mora wird jedoch für ihn anders verlaufen als erwartet. Vor allem kürzer. Überhaupt wirkt vieles in diesem Buch skizzenhaft. Vielleicht ist das der Preis für den Stil Thomas Harris (* 1940), der auf wenigen Seiten mehr Informationen streut als Marry Higgins Clark in einem vollständigen Roman. Gerne hätte jeder Teil dieses Konzentrats ein eigenes Buch sein können.
So ist Hans-Peter Schneider ein Monster, ganz im Stile des Kannibalen Hannibal Lecter, wie ihn Anthony Hopkins in »Das Schweigen der Lämmer« darstellte. Cari Mora dagegen könnte in aktuellen Produktionen über kolumbianische Drogenhändler mitspielen. Thomas Harris zitiert zurückhaltend nur die Musik der Serie »Narcos«.
Cari Mora, ein Kind des Krieges, nutzt ihre Erfahrung als OP-Helferin und Pflegerin im kolumbianischen Untergrund, um verletzte Vögel auf einer vermüllten Vogelinsel vor Miami zu retten. Auch dieses Thema hätte für einen Thriller gereicht. Ein bisschen glaubwürdigen Grusel mit Weißer-Hai-Atmosphäre gibt es in »Cari Mora« als Kirsche auf der Sahnetorte ebenfalls.
Einerseits macht es Spaß, 13 Jahre nach »Hannibal Rising« (2006) wieder etwas von Thomas Harris zu lesen. Der Autor hat 1975 als Thriller-Autor angefangen und insgesamt »nur« sechs Bücher geschrieben. Und die sind großartig. Zur Hannibal-Lecter-Reihe gehören auch »Roter Drache« (1981), »Das Schweigen der Lämmer« (1988) und »Hannibal« (1999).
»Cari Mora« hätte das Potenzial für eine neue Serie, zumal kampferprobte Frauen und ebenso verstörte wie erfolgreiche Ermittlerinnen gerade auf dem Vormarsch sind. Noomi Rapace als Lisbeth Salander in der »Millenium Trilogie« oder Zoe Saldana als »Colombiana« könnten für »Cari Mora« inspirierende Modelle gewesen sein.
»Cari Mora« wirkt, als sei der Thriller beim Aufräumen der eigenen Zettelkästen entstanden. Thomas Harris muss mit inzwischen 79 Jahren jedoch niemandem mehr etwas beweisen. Im Gegenteil, er könnte Autoren dazu inspirieren, statt vieler Bücher lieber wenige, dafür aber richtig gute zu schreiben. Ohne seinen Hannibal wäre die Thrillerwelt jedenfalls um einiges ärmer.
Nach »Cari Mora« frage ich mich, welche Schätze Thomas Harris noch vor uns versteckt, so wie den Tresor im Haus Pablo Escobars. Hoffentlich wartet er nicht wieder zehn Jahre bis zu seinem nächsten Thriller.
Ein Beitrag von www.buecher-blog.net.
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