Nach der Karriere ist vor der Karriere

Berichte aus dem Werte-Seminar

Harald ist ein Profifußballer der zweiten Liga, der gerne für die erste Liga entdeckt werden möchte. Mit Anfang 20 ist er dafür aber fast schon zu alt. Außerdem erholt er sich gerade von schweren Verletzungen, die seinen Einsatz als Stammspieler gefährden.  – Harald humpelt auf Krücken in den Seminarraum. Sein Knie ist dick bandagiert. Er freut sich jedoch, dass er an unserem Seminar teilnehmen kann. »Endlich ein bisschen Abwechslung zu den Arztbesuchen und der Physiotherapie«, sagt er. Harald ist stolz darauf, mit Fußball sein Geld zu verdienen und sich seine Verletzung sogar »leisten« zu können. Sein behinderter Bruder und sein bisher einziger Neffe bewundern ihn dafür.

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Allerdings macht Harald seine Gesundheit immer mehr zu schaffen: »Früher hätte man mir zu Recht wegen meines Berufs als Fußballer eine gewisse Arroganz vorwerfen können. Inzwischen belasten die Verletzungen mein Selbstbewusstsein.« Harald fehlen die Einsätze auf dem Spielfeld und die Anerkennung seiner Leistungen durch die Zuschauer. Er ist immer häufiger schlecht gelaunt, sodass sich sogar seine Freundin über ihn beschwert: »Das ist für mich eine ganz neue Erfahrung. Und gar nicht gut.«

Harald ist einer der Leistungssportler, deren Talente seit der Kindheit gefördert werden, um im Wettkampf auf den Punkt genau in Bestform zu sein. Dabei vergessen viele Sportler, dass eine einzige Verletzung auf dem Fußballplatz ihre Karriere beenden könnte. Das geht Fußballern nicht anders als Musikern klassischer Orchester und Profitänzern.

Harald dachte bis jetzt, dass das Leben für ihn immer so erfolgreich weitergeht. Jetzt muss er zumindest anerkennen, dass sich seine Komfortzone aufzulösen beginnt. »Vielleicht sind da die Schmerzen in meinem Knie ein guter Hinweis, mich nach weiteren Zielen für die Zeit nach dem Fußball umzuschauen«, sagt er.

Als wir die Teilnehmer in einer späteren Phase des Seminars bitten, Miniprojekte für ihre Werte, Rollen und Werte in Rollen aufzuschreiben, beschreibt Harald ein Zukunftsbild für seine Zeit nach dem Fußball. Darin kommt unter anderem vor, dass er eine berufliche Ausbildung beginnen wird. Er würde dafür sogar die dritte Liga in Kauf nehmen, da er so beides haben kann: Zeit für den Fußball und Zeit für die Ausbildung.

Ein Jahr später ist Harald in einem mittelständischen Unternehmen in einer Position zwischen Ausbilder und Lehrling. Er wird Industriekaufmann werden, kümmert sich zusätzlich aber um den Betriebssport. Hier kann Harald auch seine Erfahrungen aus dem Fußball eindringen. Er selbst hat für die erste Liga keine Ziele mehr und ist mit gelegentlichen Einsätzen in der dritten Liga zufrieden. Er fühlt sich jetzt frei von der Verpflichtung, im Fußball immer einer von den Besten sein zu müssen.

Abwechslung war Harald früher sehr wichtig, und das ist auch heute noch so. Aber die neue Mischung aus Beruf und Sport bietet ihm mehr Abwechslung als jemals zuvor. »Vielleicht komme ich irgendwann in einer anderen Funktion zum Fußball zurück«, sagt er. »Bis dahin habe ich aber etwas gelernt, das mir auch ohne den Sport Spaß macht und mein Einkommen sichert.«


Ein Beitrag von www.wertemanager.de.

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