KEN. In Max Barrys Roman spielt Sprache eine wichtige Rolle, nicht nur weil sich Geschichten sonst kaum erzählen ließen. In »Lexicon« wird eine ganze Stadt mit einem sogenannten Blankwort vernichtet. Solche Katastrophen ließen sich nur verhindern, wenn die entscheidenden Wörter aus dem Vokabular der »Dichter« gelöscht würden.
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»Du bist der Schlüssel zu einem Gegenstand von biblischer Kraft«, sagt Eliot, Lehrer und »Dichter« einer geheimnisvollen Schule im Osten der USA. Er sagt das zu Will Parke, dessen Entführung auf einer Flughafentoilette er gerade noch verhindern konnte. Eliot meint es ernst: »Die interessieren sich nicht für irgendwelche Placebos.«
»Die« sind die Betreiber eines geheimnisvollen Internats für den Umgang mit Sprache. Sie nehmen das Biblische ziemlich ernst, denn wenn am Anfang das Wort war – ohne das nichts werden kann –, dann kann das Wort auch als mächtige Waffe genutzt werden, um vieles ins dieses Nichts zurück zu verwandeln. Die Kategorie der mächtigsten Wörter heißt »Blankwort«.
Eine der jungen Schülerinnen ist die 16-jährige Emily, die auf den Straßen von San Franzisco von einem Talentscout entdeckt wurde. Als Diebin und mit ihren Kartentricks hat sie eine großartige Grundbegabung, Menschen zu manipulieren und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Leider haben die Wortgewaltigen mit den Namen von Dichtern den Unabhängigkeitsdrang Emilys unterschätzt. Nach Jahren auf der Straße darf ihr niemand vorschreiben, wie sie ihr Leben zu führen hat, erst recht nicht, ob sie sich verlieben darf. Genau damit verstößt Emily gegen die Hausordnung.
Wenig später ist die Gemeinde Broken Hill eine Geisterstadt ohne Überlebende und wird zur Katastrophenzone erklärt. Die »Dichter« gehen davon aus, dass sich das zerstörerische Blankwort noch in Broken Hill befindet. Und sie wollen es zurückhaben.
Dass »Lexicon« an Hogwarts und die üblichen Fieslinge rund um Harry Potter erinnert, kann ich gut ertragen. Beeindruckt hat mich vor allem, wie geschickt Max Barry selbst mit der Sprache umgeht, um uns mit seiner Geschichte zu unterhalten. Eine Passage, auf die sich jeder freuen kann, ist beispielsweise Will Parkes Begegnung mit Broken Hill, das er nur deshalb betreten kann, weil er im Gegensatz zu Eliot immun gegen die Worte der abtrünnigen Dichter zu sein scheint. Das jedenfalls ist die offizielle Version in »Lexicon«.
Den Rest werden die Worte offenbaren müssen, die Max Barry hier auf knapp 460 Seiten zusammengestellt hat. Er nimmt für seine Grundidee auch Anleihen bei Persönlichkeitsprofilen, mit denen Mitarbeiter von Unternehmen ebenso wie ganze Käuferschichten typologisiert werden. Dass damit der Umsatz und der Anzeigenerfolg mit geringstem Aufwand steigen sollen, gehört spätestens seit Myers-Briggs, Socionics und Google zum Grundwissen unserer ganz normalen, manipulativen Welt.
Max Barry arbeitete für den Computerriesen Hewlett-Packard, bevor er sich dem Schreiben widmete. Vielleicht ist »Lexicon« damit auch ein bisschen Warnung davor, gar zu leichtsinnig mit Informationen umzugehen, mit denen wir uns in den neuen Medien immer gläserner machen. Und was, wenn auch das nur die Spitze des Eisberges wäre …
Ein Beitrag von www.buecher-blog.net.
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