KEN. Jean-Paul Belmondo (* 9. April 1933) blickt zufrieden auf seine »tausend Leben« zurück. Im Lauf seiner Karriere hat er sich immer wieder an Grenzen herangewagt. Seine Stunts machte er so lange wie möglich selbst. Und wenn das nicht reichte, um sich abzureagieren, zerlegte er die Einrichtung seiner Hotels – nur so zum Spaß.
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Der französische Action-Star mit algerischen Wurzeln hat keine Gefahr ausgelassen, die seinen Weg kreuzte oder die er selbst provozierte. Dass er Autorennen ebenso liebte wie den Boxsport und mit einer schief verheilten Nase sogar als hässlich verspottet wurde, tat seiner Beliebtheit keinen Abbruch. Auf einem Drittel seiner 300 Seiten starken Biografie beruft er sich wegen seines Übermuts vor allem auf seine Mutter.
Nach dem Zweiten Weltkrieg drückte die duldsame Madeleine beide Augen zu, wenn ihr Sohn seinen Schabernack trieb oder ganze Banden von Freunden zu Hause übernachten ließ. Zur Legende Jean-Paul Belmondos gehört, dass jeder riskante Jungenstreich eben »ein Spaß« gewesen sei. In reiferem Alter lobt er die Geschäftsführerin eines Hotels dafür, dass sie ihm die Rechnung für das zerschlagene Mobiliar erlässt. Für den Gegenwert hätte sie vermutlich in den üblichen Magazinen keine Werbung schalten können.
Es dauert, bis Jean-Paul Belmondo sich über die Schauspielschule und erste Rollen am Theater für den Film entscheidet. Unter Jean-Luc Godard spielt er 1959 in »Außer Atem« einen Kleinkriminellen, der auf seiner Flucht bei einer amerikanischen Studentin in Paris Unterschlupf findet. Der Film wird ein sensationeller Erfolg. Jean-Paul Belmondo verkörpert darin bereits alles, was ihn über das Ende seines Lebens hinaus ausmachen wird.
Jean-Paul Belmondo steht für Action, verknüpft mit einer Spur pubertärer Oberflächlichkeit am Rande des Legalen, für schöne Frauen und eine offensichtliche Beteiligung am Luxus. Meistens schnelle Autos. Er dreht mit Sophia Loren (»Und dennoch leben sie«, 1960) ebenso wie mit Catharine Deneuve (»Das Geheimnis der falschen Braut«, 1969) und lebt acht Jahre lang mit dem »Bond-Girl« Ursula Andress zusammen, der »Tigerin aus der Schweiz«.
»Bébel« spielt 1961 den romantischen Geistlichen in »Eva und der Priester« so überzeugend wie den Filmpartner von Jean Gabin in »Ein Affe im Winter« (1962). Selbst 1983 gibt er in »Der Außenseiter« noch einen passablen Draufgänger, der auf den Kufen eines Hubschraubers herumturnt.
Wenn es ein Gerücht geben sollte, dem Jean-Paul Belmondo in seiner Biografie widersprechen will, dann geht es vor allem um sein Verhältnis zu Alain Delon. Der Mann mit den tausend Leben beruft sich darauf, dass er im Gegensatz zu Alain Delon mit der stets schwermütigen Ausstrahlung auf die unbedingte Unterstützung seiner Herkunftsfamilie bauen konnte. Irgendwie genossen seine Zuschauer, einzelne Lehrer am Pariser Konservatorium und die meisten Regisseure den Übermut Jean-Paul Belmondos.
Nur einmal scheint ihm dieses »außer Rand und Band« zu viel zu sein, aber eben nur fast. Er verliert in einer Kurve am Ortsausgang von Lorignac die Kontrolle über seinen Sportwagen. Jérôme, der Sohn der Schauspielerin Jeanne Moreau, landet mit lebensgefährlichen Verletzungen auf der Intensivstation. Selbst zu diesem Ereignis zieht Jean-Paul Belmondo die Absolutionskarte, dass er sich niemals wirklich anzuschauen gewagt habe. So findet er 90 Stundenkilometer an der Unfallstelle keinesfalls zu schnell. Im Gegenteil, er empfand sich trotz des schweren Unfalls als »verantwortungsvollen Jungen«.
Jean-Paul Belmondo glänzte in über hundert Filmen vor allem dann, wenn seine Regisseure genauso chaotisch waren wie er selbst und ihm jede gestalterische Freiheit ließen, die der bloße Entwurf eines Drehbuchs noch erlaubt, wenn die aufwändigen Filmarbeiten bereits begonnen haben. Immerhin war genau das richtig, um mit Preisen wie dem französischen »César«, dem »Goldenen Löwen« von Venedig und der »Goldenen Palme« von Cannes ausgezeichnet zu werden.
Frankreichs Regisseure Jean-Luc Godard, François Truffaut, Claude Chabrol, Louis Malle und Alain Resnais rissen sich um den frech grinsenden Erfolgsgaranten. Nur Jean-Paul Belmondo selbst konnte sich anscheinend niederringen: Nach einem Schlaganfall im Jahr 2001 nahm der »Kommandeur der Ehrenlegion« vor allem Preise für sein Lebenswerk entgegen.
Jean-Paul Belmondo hat das große Privileg eines Schauspielers voll ausgekostet, sich seine Jugendlichkeit zu bewahren. Ein Schauspieler könne Kind bleiben, so tun als ob, die Wirklichkeit in reizvolle Fiktionen verwandeln, ganz im Augenblick aufgehen, überschäumen und sich entfalten. Diese Freude habe er beim Schreiben seiner Biographie wiederempfunden: »Diesen Text möchte ich noch zu Papier bringen. Ich habe ihm Stück für Stück Leben und meine Seele eingehaucht.«
Ein Beitrag von www.buecher-blog.net.
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