KEN. Dass der eher biedere Walter Dabney die Aushilfslehrerin Anne Berkshire vor dem FBI-Zentrum J. Edgar Hoover-Building in Washington, D.C., umlegt, ist ein vielversprechender Anfang. Zumal er sich anschließend mit der Beretta selbst aus dem Rennen nimmt. Doch schon bald verschwindet David Baldaccis Thriller in Dialogen, die besser in den Spieleabend einer Wohngemeinschaft von Studenten Anfang 20 gepasst hätten.
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Die Mischung ist einfach. Zu einfach. Ein paar Klischeefeinde der USA (»die Russen« und »der Nahe Osten«) und irgendwann (historischer) auch das Ministerium für Staatssicherheit und die Dopingsportler der DDR müssen wieder einmal herhalten. America First erwartet das offenbar.
Keine Fragen! Bis auf die nach dem Warum.
Auf der anderen Seite stehen die Guten, wie bei den »Drei kleinen Fragezeichen« oder »Emil und die Detektive«. Allen voran bei »Exekution« ist der Memory Man Amos Decker. Dieser trottelige Serienheld profitiert literarisch noch immer davon, dass er sich beim Football die Birne eingerammt hat. Selber schuld! Seitdem taktet er gehirnmäßig zwischen verhaltensgestört, attestiertem Autisten und bester Mann einer FBI-Spezialeinheit.
Amos Decker ist der Typ mit einem supertalentierten Gehirn, der schon mit seinem Aufnahmeantrag bei den »Avengers« gescheitert wäre: der Unterste im Stapel mit den Nerds. Dass seine Frau und seine Tochter Molly ermordet worden sind, ist dramaturgisch tragisch, aber in »Exekution« nur für Dauerleser von David Baldacci passend einzuordnen.
Dass Amos Deckers Gehirn wie das Internet und Google niemals etwas vergisst, ist vor allem deshalb »phänomenal«, weil David Baldacci es immer wieder erwähnt: Amos Decker ersetzt ansonsten mit seinem gleichgewichtigen Partner Marvin Mars aus der Football League mal eben einen high-technischen Rammbock, wenn es gilt, eine für den Normalbedarf gut gesicherte Tür aufzusprengen.
Ich war nach diesen B- bis C-Elementen der Spannung neugierig auf die Dialoge, in die David Baldacci seine Geschichte größtenteils verpackt. Ich mag Bücher auch nach dem, was gesagt wird – und ob überhaupt etwas gesagt wird. Beschreibende Bleiwüsten wie bei Karl May finde ich ebenso ätzend wie Dialoge, die einfach nur die Seiten vollblubbern.
Als lesbares Hörbuch versemmelt David Baldacci in »Exekution« jedoch eventuelle Absichten für Sehende und (!) Hörende total. Für die beschreibenden Füllsel mit inspirierenden Eckdaten dazwischen verzichtet er vorsorglich auf jede Art von Beschreibung, der eine einigermaßen Sinn stiftende Recherche vorausgegangen sein müsste.
»Exekution« ist damit wie Fantasy, nur ohne Trolle, Orks, Menschen des Ostens und des Südens. Und vor allem ist es ohne J.R.R. Tolkien.
So plätschert die Geschichte zwischen Wohngemeinschaft mit einer sozial engagierten Kollegin Alex Jamison, ein paar unbedeutenden Unterchefs und Oberchefs vom FBI und nichtssagenden Vertretern geheimnistragender Institutionen bis hin zum Präsidenten der Vereinigten Staaten dahin. Im Zweifelsfall wird jemand mit dem Hinweis auf seine fehlende Sicherheitsfreigabe einfach schachmatt gesetzt.
Schnitt.
Nächste Szene mit vollendeten Tatsachen.
David Baldaccis größtes Problem ist offenbar, dass Amos Deckers Freund Marvin Mars mit der Sprengstoffexpertin Harper C. Brown von der Defense Intelligence Agency (DIA) das Rammeln für eine Nacht auf »bis dass der Tod euch scheidet« ausweiten möchte.
Doch es gibt auch ein bisschen Action jenseits von Pubertät und Akne: Hier und da eine Schießerei und Haue, ein bisschen Baustoff im Umbau, unter dem dann der Nebenspieler einer Gang in einem einzigen Durchgang einbetoniert und (!) zugefliest werden soll. – Unsere Fliesenleger hätten zumindest gewartet, bis der Untergrund trocken ist.
David Baldacci hat keine Ahnung, wie sich feuchter Speis anfühlt.
Ansonsten immer wieder Rätsel rund um Walter und sein Opfer Anne, die akzeptabel begründet zu Lebzeiten dem leukämiekranken Joel auf der Kippe ins Jenseits aus »Der Gefangene von Askaban« vorlas. Geheim. Geheimnis.
Da gibt es also viel, was einmal relativ bedeutungsvoll hätte gewesen sein können. Joel ist gigahappy, als er mit (Ex-) Spielern der Football League zu tun bekommt. Das braucht ganz USA mehr als Joel die nächste Bluttransfusion.
»Exekution« – kann man schaffen. So vor dem Einschlafen. Aber wachgehalten bis zum Schluss hat es mich nicht. Ein No-Brainer, wie mein Freund Ole sagen würde. Amos Decker mit Supergehirn, die Geschichte aber so ziemlich ohne was davon. »Exekution« reicht bestenfalls für den Feierabend mit Frust nach der misslungenen Gehaltsverhandlung. Man kann zwischendurch dem Pizzamann Trinkgeld geben, die Lüftung pustet die Seiten um, und man hat das Gefühl, null-komma-nichts verpasst zu haben.
Ich habe mir also die Danksagungen von David Baldacci für den Aha-Effekt aufgehoben. Da gibt es tatsächlich einen anständigen Fanclub, der ihn auf dem Schild durch die Redaktionen und Lektorate trägt!
Richtig schade.
Vermutlich waren alle Mitglieder der Baldacci-Family hauptberuflich mit anderen Dingen mehr beschäftigt. Aber auch sie leben eben nur einmal. Sonst hätten sie »Exekution« mit Boden-Luft-Geschossen exekutiert, kurz nachdem der Pfeil die Sehne verlassen hat.
Ein Beitrag von www.buecher-blog.net.
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