KEN. »Ich fahre zu meiner Mutter!« – vermutlich wäre Carl Benz 1888 der Schreck in alle Glieder gefahren, zumal seine Bertha den Benz Patent-Motorwagen Nr. 3 für ihren Ausflug nutzte. Das tat sie allerdings, ohne ihren Mann zu informieren. Die »Bertha Benz Memorial Route« von Mannheim nach Pforzheim erinnert an die erste Frau am Steuer.
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Wahrscheinlich hätte Bertha jeden Protest ihres Carls im Keim erstickt: »Der Wagen steht eh andauernd in der Garage. Willst du warten, bis er ein Oldtimer wird?« Zwei Jahre zuvor hatte Carl Benz das Automobil erfunden. Und irgendwie brauchte die Vision von der neuen Mobilität einen weiteren Anschub. Als Bertha Benz die beiden Söhne Eugen und Richard mit in die Nr. 3 setzte, war das der Beginn der ersten Fernfahrt mit einem Automobil – und der Marketingcoup des Jahrhunderts.
Anna Schnekker beschreibt in diesem Titel aus dem Grebennikov Verlag die Route der Bertha Benz von Mannheim über Heidelberg, Bruchsal, Weingarten bis Pforzheim sowie die Rückreise über Bretten, Forst, Hockenheim und Schwetzingen. Die historische Strecke misst knapp 200 Kilometer und wäre heute in dreieinhalb Stunden zu schaffen.
Bertha und ihre Söhne brauchten für die Hinfahrt einen ganzen Tag und ließen dann drei Tage lang die Pforzheimer in der pferdelosen Kutsche mitfahren. Danach fuhren sie zurück nach Mannheim. Bertha Benz hatte bewiesen, dass das Automobil zuverlässig war – von ein paar kleineren Reparaturen wie die verstopfte Kraftstoffleitung einmal abgesehen. Das Problem löste sie flink mit einer spitzen Hutnadel. Einen blank gescheuerten Draht isolierte sie mit einem Strumpfband. Und getankt wurde notfalls in der Apotheke.
»Bertha Benz Memorial Route – Geschichte und Kultur entlang der ersten automobilen Fernfahrt« ist ein umfassender Themen-Reiseführer durch Kulturlandschaften. Die Wein- und Spargelgebiete des Kraichgaus und der Oberrheinischen Tiefebene haben ihren Charme vom Ende des 19. Jahrhunderts noch zum großen Teil bewahrt. Anna Schnekker beschreibt über 30 Orte und Gemeinden mit ihren Festen, Schlössern, Burgen, Museen und Kunstwerken, die an Bertha Benz und ihre historische Fernfahrt erinnern.
Ich habe nach dem Lesen des Buchs Lust auf (mindestens) eine Tagestour à la Bertha mit dem Auto, das ich zwischendurch auch gerne stehen lassen kann, um Orte wie Ladenburg zu Fuß zu erkunden. Das war zur Zeit der Benzens die übliche Art sich fortzubewegen. Und dann stelle ich mir vor, wie ich damals reagiert hätte, wenn auf einmal der Motorwagen Nr. 3 vorbeigeknattert wäre. – So lebendig kann Geschichte sein.
Ein Beitrag von www.buecher-blog.net.
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